Alt werden in Liestal

Auf Einladung der SP Liestal und Umgebung hielt Dr. Albert Wettstein, ehemaliger Chefarzt des Stadtärztlichen Dienstes Zürich, im Stadtsaal einen Vortrag unter dem Titel „Wohnen im Alter in Liestal. Wo liegt die Zukunft?“. Seine Ausführungen verdeutlichten, dass die bisherige Planung der Kapazitäten der Alters- und Pflegeheimen überdacht werden sollten, da die zugrunde liegenden Berechnungsdaten auf den Erfahrungen der 70er Jahren beruhen. Forciert werden sollte in Zukunft eher der Bau von Alterswohnungen, die Erweiterung der Spitex und die Rekrutierung von nicht pflegerisch ausgebildeten Haushalthilfen.

Ein heute geborenes Mädchen hat eine 50%ige Chance 100 Jahre alt zu werden. Mit dieser Aussage  eröffnete Dr. Albert Wettstein sein Vortrag und wies damit auf das deutliche Anwachsen der Lebenserwartung von uns allen hin. Statistische Untersuchungen und Hochrechnungen in die Zukunft am Beispiel von Liestal und Umgebung verdeutlichen diesen Trend. So betrug in der Region der Anteil der mehr als 65jährigen in Jahr 2013 5080 Personen und dürfte 2035 8380 Personen betragen. 2013 lebten 1300 über 80jährige in Liestal und Umgebung. 2035 dürfte die Anzahl bei 3155 Personen liegen. Mit diesem Älterwerden steigt die Häufigkeit von Erkrankungen und Beschwerden, wobei die Demenz dominiert.

Die Hochrechnung in die Zukunft basieren auf den Erfahrungen aus den 70er Jahren. Sie sind zum Beispiel die Basis für die Berechnung des Bedarfs an Betten in Alters- und Pflegeheimen (APH).  Für die Region Liestal errechnet sich für 2013 ein Bedarf von 260 Betten, für 2035 von 509 und für 2045 ein solcher von 631 Betten. Diese Berechnungen sind nach Ansicht des Referenten nicht richtig, sie sind zu hoch und gehen in die falsche Richtung. Sie berücksichtigen nicht, dass sich seit den 70er Jahren die Hilfsbedürftigkeit der älteren Menschen deutlich reduziert hat. Die Lebensbedingungen und der Lebensstil haben sich verbessert. Es wird weniger geraucht, mehr bewegt, die Ernährung ist gesünder. Dazu kommt, dass für viele alters- und abbau-bedingte Beeinträchtigungen geeignete medikamentöse oder operative (Reparaturmedizin) Massnahmen bereitstehen. Trotz Anstieg der Lebenserwartung ist die Phase deutlich verkürzt, in der eine dauernde Betreuung/Pflege notwendig wird, und wird sich in den weiteren Jahren noch weiter reduzieren.

Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung sähe der realistische Bedarf an APH-Betten wie folgt aus: Im Jahr 2025 nicht 385 sondern 323 Betten, 2035 nicht 509 sondern 336 Betten, 2045 315 und nicht 631 Betten. Der Kurvenknick im Jahr 2045 hängt damit zusammen, dass hier die Generation der „Babyboomer“ langsam das Ende der Lebenserwartung erreicht.

Anstelle des massiven Ausbaus der Betten in Alters- und Pflegeheimen wäre es sinnvoll mehr altersgerechte, finanzierbare Wohnungen zu bauen. Es sollten vermehrt Wohnungen mit Unterstützungs- und Betreuungsangebot erstellt werden. Solche Objekte müssen in Gehdistanz zu Läden, Arzt, Café, Haltestellen des ÖV,  des „Lebens“ liegen. Es wäre wichtig die Haushaltsunterstützung und die spitalexterne Pflege weiter auszubauen. Gerade auch demente Patienten können bei genügender Unterstützung und allenfalls gewissen Anpassungen in ihrem Wohnbereich noch sehr lange in relativer Selbständigkeit leben. Sie benötigen lange Zeit keine 24h-Betreuung. Für die betreuenden Angehörigen Demenzkranker besteht das  Risiko der krankmachenden Überforderung. Hier sind Angebote zu schaffen oder zu erweitern, die ihnen erlauben sich zeitweise zu entlasten.

Für die Haushaltführung und die Betreuung alter, auch dementer Menschen können Personen eingestellt werden,  die eine kurze Anlehre durchlaufen haben. In der Zukunft werden vermehrt Menschen aus Ländern wie Nordafrika und Asien alten Menschen das Wohnen in der eigenen oder einer speziellen Alterswohnung ermöglichen. Hier muss auf legale Anstellung, Entlöhnung und Einhalten der Sozialversicherung geachtet werden. In den Kommunen sind Stellen zu schaffen, die sowohl die Anstellungsverhältnisse als auch die Arbeitsqualität kontrollieren. Ein Muss sind auch Anlaufstellen für Fragen der Betagten und der Angehörigen.

Alt werden und das Wohnen im Alter sind Themen, die in näherer Zukunft nicht nur Liestal sondern die meisten Kommunen beschäftigen werden.

Ulrich Martin, SP Liestal

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed